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\chapter{\tr{Optimization and Gradient Descent}{Optimierung und Gradientenabstiegsverfahren}}
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Ein sehr h\"aufiges Problem ist, dass die Abh\"angigkeit von
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Messwerten von einer Eingangsgr\"o{\ss}e durch ein Modell erkl\"art
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werden soll. Das Modell enth\"alt \"ublicherweise einen oder mehrere
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Parameter, die den Zusammenhang modifizieren. Wie soll die beste
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Parameterisierung des Modells gefunden werden, so dass das Modell die
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Daten am besten beschreibt? Dieser Prozess der Parameteranpassung ist
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ein Optimierungsproblem, der besser als Kurvenfit bekannt ist
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(\enterm{curve fitting}).
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\begin{figure}[tp]
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\includegraphics[width=0.33\columnwidth]{lin_regress}\hfill
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\includegraphics[width=0.33\columnwidth]{lin_regress_slope}\hfill
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\includegraphics[width=0.33\columnwidth]{lin_regress_intercept}
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\titlecaption{.}{F\"ur eine Reihe von Eingangswerten $x$,
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z.B. Stimulusintensit\"aten, wurden die Antworten $y$ eines
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Systems gemessen (links). Der postulierte lineare Zusammenhang hat
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als freie Parameter die Steigung (mitte) und den
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$y$-Achsenabschnitt (rechts).}\label{linregressiondatafig}
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\end{figure}
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Die Punktewolke in \figref{linregressiondatafig} legt
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zum Beispiel nahe einen (verrauschten) linearen Zusammenhang zwischen
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der Eingangsgr\"o{\ss}e $x$ (\enterm{input}) und der Systemantwort
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$y$ (\enterm{output}) zu postulieren.
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Wir nehmen also an, dass die Geradengleichung
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\[y = f_{m,n}(x) = m\cdot x + n \] ein gutes Modell f\"ur das
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zugrundeliegende System sein k\"onnte (Abbildung
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\ref{linregressiondatafig}). Die Geradengleichung hat die
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beiden Parameter Steigung $m$ und $y$-Achsenabschnitt $n$ und es wird
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die Kombination von $m$ und $n$ gesucht, die die Systemantwort am
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besten vorhersagt.
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In folgenden Kapitel werden wir anhand dieses Beispiels zeigen,
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welchen Methoden hinter einem Kurvenfit stecken, wie also die optimale
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Kombination aus Steigung und $y$-Achsenabschnitt gefunden werden kann.
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\section{Methode der kleinsten quadratischen Abweichung}
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Um die optimale Parameterkombination zu finden muss zun\"achst ein
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Ma{\ss} f\"ur den Unterschied zwischen den tats\"achlich gemessenen
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und den unter Verwendung eines Parametersatzes vorhergesagten Werten
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definiert werden. Eine der am h\"aufigsten verwendeten
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Fehlersch\"atzungen ist der \emph{mittlere qaudratische Abstand}
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(``mean square error'', Abbildung \ref{leastsquareerrorfig})
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\[ e = \frac{1}{N}\sum^{N}_{1=1} \left( y_i - y^{est}_i\right)^2 \; ,\]
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wobei $e$ der Fehler, $N$ die Anzahl gemessener Datenpunkte $y_i$ die
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Messwerte und $y^{est}_i$ die Vorhersagewerte an den enstprechenden
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Stellen sind.
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\begin{figure}[tp]
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\includegraphics[width=0.5\columnwidth]{linear_least_squares}
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\caption{\textbf{Ermittlung des Mittleren quadratischen Abstands.}
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Der Abstand zwischen der Vorhersage und dem Modell wird f\"ur
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jeden gemessenen Datenpunkt ermittelt. Die Differenz zwischen
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Messwert und Vorhersage wird quadriert, was zum einen das
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Vorzeichen einer Abweichung entfernt und zum anderen gro{\ss}e
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Abweichungen \"uberproportional st\"arker bestraft als
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kleine. Quelle:
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\url{http://en.wikipedia.org/wiki/Linear_least_squares_(mathematics)}} \label{leastsquareerrorfig}
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\end{figure}
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\begin{exercise}{meanSquareError.m}{}\label{mseexercise}
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Schreibt eine Funktion, die die mittlere quardatische Abweichung
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zwischen den beobachteten Werten $y$ und der Vorhersage $y_{est}$
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berechnet.
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\end{exercise}
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\section{Zielfunktion --- Objective function}
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Schliesst man in die Fehlerfunktion von oben (\"Ubung
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\ref{mseexercise}) die Vorhersage des Modells mit ein spricht man von
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der Zielfunktion oder Englisch ``objective function'':
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\[e(m,n) = \frac{1}{N}\sum^{N}_{1=1} \left( y_i - f_{m,
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n}(x_i)\right )^2\]
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Das Ziel der Parameteranpassung ist es, den Fehler zu minimieren, die
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Passung zu optimieren.
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\begin{exercise}{lsqError.m}{}
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Implementiere die Zielfunktion (\code{lsqError}) f\"ur die
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Optimierung mit der linearen Geradengleichung.
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\begin{itemize}
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\item Die Funktion \"ubernimmt drei Argumente: das erste ist ein
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2-elementiger Vektor, der die Parameter \code{m} und \code{n}
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enth\"alt. Der zweite sind die x-Werte, an denen gemessen wurde
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und der dritte die zugeh\"origen y-Werte.
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\item Die Funktion gibt den Fehler zur\"uck.
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\end{itemize}
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\end{exercise}
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\section{Fehlerfl\"ache}
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Die beiden Parameter $m$ und $n$ spannen eine F\"ache auf. F\"ur jede
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Kombination aus $m$ und $n$ erhalten wir Vorhersagewerte, die von den
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gemessenen Werten abweichen werden. Es gibt also f\"ur jeden Punkt in
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der sogenannten \emph{Fehlerfl\"ache} einen Fehler. In diesem Beispiel
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eines 2-dimensionalen Problems (zwei freie Parameter) kann die
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Fehlerfl\"ache graphisch durch einen 3-d ``surface-plot'' dargestellt
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werden. Dabei werden auf der $x$- und der $y$-Achse die beiden
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Parameter und auf der $z$-Achse der Fehlerwert aufgetragen
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(\figref{errorsurfacefig}).
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\clearpage
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\begin{figure}
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\includegraphics[width=0.75\columnwidth]{figures/error_surface.pdf}
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\caption{\textbf{Fehlerfl\"ache.} Die beiden freien Parameter
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unseres Modells spannen die Grundfl\"ache des Plots auf. F\"ur
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jede Kombination von Steigung und y-Achsenabschnitt wird die
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errechnete Vorhersage des Modells mit den Messwerten verglichen
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und der Fehlerwert geplottet.}\label{errorsurfacefig}
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\end{figure}
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Die Fehlerfl\"ache zeigt an, bei welcher Parameterkombination
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der Fehler minimal, beziehungsweise die Parameterisierung optimal an
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die Daten angepasst ist. Wie kann die Fehlerfunktion und die durch sie
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definierte Fehlerfl\"ache nun benutzt werden, um den
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Optimierungsprozess zu leiten?
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\begin{exercise}{errorSurface.m}{}\label{errorsurfaceexercise}
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Ladet den Datensatz \textit{lin\_regression.mat} in den
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Workspace. und schreibt ein Skript \code{errorSurface.m} dass den
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Fehler in Abh\"angigkeit von \code{m} und \code{n} als surface plot
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darstellt (siehe Hilfe f\"ur die \code{surf} Funktion).
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\end{exercise}
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\section{Gradient}
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Man kann sich den Optimierungsprozess veranschaulichen wenn man sich
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vorstellt, dass eine Parameterkombination einen Punkt auf der
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Fehlerfl\"ache definiert. Wenn von diesem Punkt aus eine Kugel
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losgelassen w\"urde, dann w\"urde sie, dem steilsten Gef\"alle
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folgend, zum Minimum der Fehlerfl\"ache rollen und dort zum Stehen
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kommen. Um dem Computer zu sagen, in welche Richtung die Position
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ver\"andert werden soll muss also die Steigung an der aktellen
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Position berechnet werden.
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Die Steigung einer Funktion an einer Stelle ist die Ableitung der
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Funktion an dieser Stelle, die durch den Differenzquotienten f\"ur
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unendlich kleine Schritte $h$ bestimmt wird.
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\[f'(x) = \lim\limits_{h \rightarrow 0} \frac{f(x + h) - f(x)}{h} \]
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Bei unserem Fittingproblem h\"angt die Fehlerfunktion von zwei
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Parametern ab und wir bestimmen die Steigung partiell f\"ur jeden
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Parameter einzeln. Die partielle Ableitung nach $m$ sieht so aus:
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\[\frac{\partial g(m,n)}{\partial m} = \lim\limits_{h \rightarrow 0} \frac{g(m + h, n) - g(m,n)}{h}\]
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Da wir die Ver\"anderung des Fehlers in Abh\"angigkeit der beiden
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Parameter bewerten, ist der Gradient an der Stelle $(m,n)$ ein
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zweielementigen Vektor, der aus den partiellen Ableitungen nach $m$ und
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nach $n$ besteht. Die Richtung des Gradienten zeigt die Richtung der
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gr\"o{\ss}ten Steigung an, seine L\"ange repr\"asentiert die St\"arke
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des Gef\"alles.
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\[\bigtriangledown g(m,n) = \left( \frac{\partial g(m,n)}{\partial m}, \frac{\partial g(m,n)}{\partial n}\right)\]
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Die partiellen Ableitungen m\"ussen nicht analytisch berechnet werden
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sondern wir n\"ahern sie numerisch durch einen sehr kleinen Schritt
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an.
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\[\frac{\partial g(m,n)}{\partial m} = \lim\limits_{h \rightarrow
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0} \frac{g(m + h, n) - g(m,n)}{h} \approx \frac{g(m + h, n) -
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g(m,n)}{h}\]
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Die graphische Dargestellung der Gradienten (Abbildung
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\ref{gradientquiverfig}) zeigt, dass diese in die Richtung der
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gr\"o{\ss}ten Steigung zeigen. Um zum Minimum der Fehlerfunktion zu
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gelangen sollte man also die entgegengesetzte Richtung einschlagen.
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\begin{figure}
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\includegraphics[width=0.75\columnwidth]{figures/error_gradient}
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\caption{\textbf{Darstellung der Gradienten f\"ur jede
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Parameterkombination.} Jeder Pfeil zeigt die Richtung und die
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Steigung f\"ur verschiedene Parameterkombination aus Steigung und
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y-Achsenabschnitt an. Die Kontourlinien im Hintergrund
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illustrieren die Fehlerfl\"ache. Warme Farben stehen f\"ur
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gro{\ss}e Fehlerwerte, kalte Farben f\"ur kleine. Jede
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Kontourlinie steht f\"ur eine Linie gleichen
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Fehlers.}\label{gradientquiverfig}
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\end{figure}
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\begin{exercise}{lsqGradient.m}{}\label{gradientexercise}
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Implementiert eine Funktion \code{lsqGradient}, die den aktuellen
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Parametersatz als 2-elementigen Vektor, die x-Werte und die y-Werte
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als Argumente entgegennimmt und den Gradienten zur\"uckgibt.
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\end{exercise}
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\begin{exercise}{errorGradient.m}{}
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Benutzt die Funktion aus vorheriger \"Ubung (\ref{gradientexercise}),
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um f\"ur die jede Parameterkombination aus der Fehlerfl\"ache
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(\"Ubung \ref{errorsurfaceexercise}) auch den Gradienten zu
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berechnen und darzustellen. Vektoren im Raum k\"onnen mithilfe der
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Funktion \code{quiver} geplottet werden.
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\end{exercise}
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\section{Der Gradientenabstieg}
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Zu guter Letzt muss ``nur'' noch der Gradientenabstieg implementiert
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werden. Die daf\"ur ben\"otigten Zutaten sollten wir aus den
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vorangegangenen \"Ubungen haben. Wir brauchen: 1. Die Fehlerfunktion
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(\code{meanSquareError.m}), 2. die Zielfunktion (\code{lsqError.m})
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und 3. den Gradienten (\code{lsqGradient.m}). Der Algorithmus
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f\"ur den Abstieg lautet:
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\begin{enumerate}
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\item Starte mit einer beliebigen Parameterkombination $p_0 = (m_0,
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n_0)$.
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\item \label{computegradient} Berechne den Gradienten an der akutellen Position $p_i$.
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\item Wenn die L\"ange des Gradienten einen bestimmten Wert
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unterschreitet, haben wir das Minum gefunden und k\"onnen die Suche
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abbrechen. Wir suchen ja das Minimum, bei dem der Gradient gleich
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Null ist. Da aus numerischen Gr\"unden der Gradient nie exakt Null
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werden wird, k\"onnen wir nur fordern, dass er hinreichend klein
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wird (z.B. \code{norm(gradient) < 0.1}).
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\item \label{gradientstep} Gehe einen kleinen Schritt ($\epsilon =
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0.01$) in die entgegensetzte Richtung des Gradienten:
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\[p_{i+1} = p_i - \epsilon \cdot \bigtriangledown g(m_i, n_i)\]
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\item Wiederhole die Schritte \ref{computegradient} -- \ref{gradientstep}.
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\end{enumerate}
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Abbildung \ref{gradientdescentfig} zeigt den Verlauf des
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Gradientenabstiegs. Von einer Startposition aus wird die Position
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solange ver\"andert, wie der Gradient eine bestimmte Gr\"o{\ss}e
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\"uberschreitet. An den Stellen, an denen der Gradient sehr stark ist
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ist auch die Ver\"anderung der Position gro{\ss} und der Abstand der
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Punkte in Abbildung \ref{gradientdescentfig} gro{\ss}.
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\begin{figure}[hb]
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\includegraphics[width=0.6\columnwidth]{figures/gradient_descent}
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\caption{\textbf{Gradientenabstieg.} Es wird von einer beliebigen
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Position aus gestartet und der Gradient berechnet und die Position
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ver\"andert. Jeder Punkt zeigt die Position nach jedem
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Optimierungsschritt an.} \label{gradientdescentfig}
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\end{figure}
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\clearpage
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\begin{exercise}{gradientDescent.m}{}
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Implementiere den Gradientenabstieg f\"ur das Problem der
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Parameteranpassung der linearen Geradengleichung an die Messdaten in
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der Datei \code{lin\_regression.mat}.
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\begin{enumerate}
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\item Merke Dir f\"ur jeden Schritt den Fehler zwischen
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Modellvorhersage und Daten.
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\item Erstelle eine Plot, der die Entwicklung des Fehlers als
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Funktion der Optimierungsschritte zeigt.
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\item Erstelle einen Plot, der den besten Fit in die Daten plottet.
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\end{enumerate}
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\end{exercise}
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