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\chapter{\tr{Point processes}{Punktprozesse}}

\begin{figure}[t]
  \texpicture{pointprocessscetchB}
  \caption{\label{pointprocessscetchfig}Ein Punktprozess ist eine
    Abfolge von Zeitpunkten $t_i$ die auch durch die Intervalle
    $T_i=t_{i+1}-t_i$ oder die Anzahl der Ereignisse $n_i$ beschrieben
    werden kann. }
\end{figure}

Ein zeitlicher Punktprozess ist ein stochastischer Prozess, der eine
Abfolge von Ereignissen zu den Zeiten $\{t_i\}$, $t_i \in \reZ$,
generiert.

Jeder Punktprozess wird durch einen sich in der Zeit kontinuierlich
entwickelnden Prozess generiert. Wann immer dieser Prozess eine
Schwelle \"uberschreitet wird ein Ereigniss des Punktprozesses
erzeugt. Zum Beispiel:
\begin{itemize}
\item Aktionspotentiale/Herzschlag: wird durch die Dynamik des
  Membranpotentials eines Neurons/Herzzelle erzeugt.
\item Erdbeben: wird durch die Dynamik des Druckes zwischen
  tektonischen Platten auf beiden Seiten einer geologischen Verwerfung
  erzeugt.
\item Zeitpunkt eines Grillen/Frosch/Vogelgesangs: wird durch die
  Dynamik des Nervensystems und des Muskelapparates erzeugt.
\end{itemize}

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=1\textwidth]{rasterexamples}
  \caption{\label{rasterexamplesfig}Raster-Plot von jeweils 10
    Realisierungen eines station\"arenen Punktprozesses (homogener
    Poisson Prozess mit Rate $\lambda=20$\;Hz, links) und eines
    nicht-station\"aren Punktprozesses (perfect integrate-and-fire
    Neuron getrieben mit Ohrnstein-Uhlenbeck Rauschen mit
    Zeitkonstante $\tau=100$\,ms, rechts).}
\end{figure}

F\"ur die Neurowissenschaften ist die Statistik der Punktprozesse
besonders wichtig, da die Zeitpunkte der Aktionspotentiale als
zeitlicher Punktprozess betrachtet werden k\"onnen und entscheidend
f\"ur die Informations\"ubertragung sind.

Bei Punktprozessen k\"onnen wir die Zeitpunkte $t_i$ ihres Auftretens,
die Intervalle zwischen diesen Zeitpunkten $T_i=t_{i+1}-t_i$, sowie
die Anzahl der Ereignisse $n_i$ bis zu einer bestimmten Zeit betrachten
(\figref{pointprocessscetchfig}).

Zwei Punktprozesse mit verschiedenen Eigenschaften sind in
\figref{rasterexamplesfig} als Rasterplot dargestellt, bei dem die
Zeitpunkte der Ereignisse durch senkrechte Striche markiert werden.


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\section{Intervallstatistik}

Die Intervalle $T_i=t_{i+1}-t_i$ zwischen aufeinanderfolgenden
Ereignissen sind reelle, positive Zahlen. Bei Aktionspotentialen
(``Spikes'') heisen die Intervalle auch
``Interspikeintervalle''. Deren Statistik kann mit den \"ublichen
Gr\"o{\ss}en beschrieben werden.

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=1\textwidth]{isihexamples}\hfill
  \caption{\label{isihexamplesfig}Interspikeintervall Histogramme der in
    \figref{rasterexamplesfig} gezeigten Spikes.}
\end{figure}

\subsection{Intervallstatistik erster Ordnung}
\begin{itemize}
\item Histogramm $p(T)$ der Intervalle $T$
  (\figref{isihexamplesfig}). Normiert auf $\int_0^{\infty} p(T) \; dT
  = 1$.
\item Mittleres Intervall $\mu_{ISI} = \langle T \rangle =
  \frac{1}{n}\sum\limits_{i=1}^n T_i$.
\item Varianz der Intervalle $\sigma_{ISI}^2 = \langle (T - \langle T
  \rangle)^2 \rangle$\vspace{1ex}
\item Variationskoeffizient (``Coefficient of variation'') $CV_{ISI} =
  \frac{\sigma_{ISI}}{\mu_{ISI}}$.
\item Diffusions Koeffizient $D_{ISI} =
  \frac{\sigma_{ISI}^2}{2\mu_{ISI}^3}$.
\end{itemize}

\subsection{Korrelationen der Intervalle}
In ``return maps'' werden die um das ``Lag'' $k$ verz\"ogerten
Intervalle $T_{i+k}$ gegen die Intervalle $T_i$ geplottet. Dies macht
m\"ogliche Abh\"angigkeiten von aufeinanderfolgenden Intervallen
sichtbar.

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=1\textwidth]{returnmapexamples}
  \includegraphics[width=1\textwidth]{serialcorrexamples}
  \caption{\label{returnmapfig}Interspikeintervall return maps und
    serielle Korrelationen zwischen aufeinander folgenden Intervallen
    im Abstand des Lags $k$.}
\end{figure}

Solche Ab\"angigkeiten werden durch die serielle Korrelation der
Intervalle quantifiziert.  Das ist der Korrelationskoeffizient
zwischen aufeinander folgenden Intervallen getrennt durch ``Lag'' $k$:
\[ \rho_k = \frac{\langle (T_{i+k} - \langle T \rangle)(T_i - \langle T \rangle) \rangle}{\langle (T_i - \langle T \rangle)^2\rangle} = \frac{{\rm cov}(T_{i+k}, T_i)}{{\rm var}(T_i)} 
= {\rm corr}(T_{i+k}, T_i) \]
\"Ublicherweise wird die Korrelation $\rho_k$ gegen den Lag $k$
aufgetragen (\figref{returnmapfig}).  $\rho_0=1$ (Korrelation jedes
Intervalls mit sich selber).


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\section{Z\"ahlstatistik}

% \begin{figure}[t]
%   \includegraphics[width=0.48\textwidth]{poissoncounthist100hz10ms}\hfill
%   \includegraphics[width=0.48\textwidth]{poissoncounthist100hz100ms}
%   \caption{\label{countstatsfig}Count Statistik.}
% \end{figure}

Die Anzahl der Ereignisse $n_i$ in Zeifenstern $i$ der
L\"ange $W$ ergeben ganzzahlige, positive Zufallsvariablen die meist durch folgende
Sch\"atzer charakterisiert werden:
\begin{itemize}
\item Histogramm der counts $n_i$.
\item Mittlere Anzahl von Ereignissen: $\mu_N = \langle n \rangle$.
\item Varianz der Anzahl: $\sigma_n^2 = \langle (n - \langle n \rangle)^2 \rangle$.
\item Fano Faktor (Varianz geteilt durch Mittelwert): $F = \frac{\sigma_n^2}{\mu_n}$.
\end{itemize}
Insbesondere ist die mittlere Rate der Ereignisse $r$ (``Spikes pro Zeit'', Feuerrate) gemessen in Hertz
\[ r = \frac{\langle n \rangle}{W} \; . \]

% \begin{figure}[t]
%   \begin{minipage}[t]{0.49\textwidth}
%     Poisson process $\lambda=100$\,Hz:\\
%     \includegraphics[width=1\textwidth]{poissonfano100hz}
%   \end{minipage}
%   \hfill
%   \begin{minipage}[t]{0.49\textwidth}
%     LIF $I=10$, $\tau_{adapt}=100$\,ms:\\
%     \includegraphics[width=1\textwidth]{lifadaptfano10-100ms}
%   \end{minipage}
%   \caption{\label{fanofig}Fano factor.}
% \end{figure}


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\section{Homogener Poisson Prozess}
F\"ur kontinuierliche Me{\ss}gr\"o{\ss}en ist die Normalverteilung
u.a. wegen dem Zentralen Grenzwertsatz die Standardverteilung. Eine
\"ahnliche Rolle spilet bei Punktprozessen der ``Poisson Prozess''.

Beim homogenen Poisson Prozess treten Ereignisse mit einer festen Rate
$\lambda=\text{const.}$ auf und sind unabh\"angig von der Zeit $t$ und
unabh\"angig von den Zeitpunkten fr\"uherer Ereignisse
(\figref{hompoissonfig}). Die Wahrscheinlichkeit zu irgendeiner Zeit
ein Ereigniss in einem kleinen Zeitfenster der Breite $\Delta t$ zu
bekommen ist
\[ P = \lambda \cdot \Delta t \; . \]
Beim inhomogenen Poisson Prozess h\"angt die Rate $\lambda$ von der
Zeit ab: $\lambda = \lambda(t)$.

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=1\textwidth]{poissonraster100hz}
  \caption{\label{hompoissonfig}Rasterplot von Spikes eines homogenen
    Poisson Prozesses mit $\lambda=100$\,Hz.}
\end{figure}

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=0.45\textwidth]{poissonisihexp20hz}\hfill
  \includegraphics[width=0.45\textwidth]{poissonisihexp100hz}
  \caption{\label{hompoissonisihfig}Interspikeintervallverteilungen
    zweier Poissonprozesse.}
\end{figure}

Der homogne Poissonprozess hat folgende Eigenschaften:
\begin{itemize}
\item Die Intervalle $T$ sind exponentiell verteilt: $p(T) = \lambda e^{-\lambda T}$ (\figref{hompoissonisihfig}).
\item Das mittlere Intervall ist $\mu_{ISI} = \frac{1}{\lambda}$ .
\item Die Varianz der Intervalle ist $\sigma_{ISI}^2 = \frac{1}{\lambda^2}$ .
\item Der Variationskoeffizient ist also immer $CV_{ISI} = 1$ .
\item Die seriellen Korrelationen $\rho_k =0$ f\"ur $k>0$, da das
  Auftreten der Ereignisse unabh\"angig von der Vorgeschichte ist. Ein
  solcher Prozess wird auch Erneuerungsprozess genannt (``renewal
  process'').
\item Die Anzahl der Ereignisse $k$ innerhalb eines Fensters der L\"ange W ist Poissonverteilt:
\[ P(k) = \frac{(\lambda W)^ke^{\lambda W}}{k!} \]
 (\figref{hompoissoncountfig})
\item Der Fano Faktor ist immer $F=1$ .
\end{itemize}

\begin{figure}[t]
  \includegraphics[width=0.48\textwidth]{poissoncounthistdist100hz10ms}\hfill
  \includegraphics[width=0.48\textwidth]{poissoncounthistdist100hz100ms}
  \caption{\label{hompoissoncountfig}Z\"ahlstatistik von Poisson Spikes.}
\end{figure}